Vorsicht Nachforderung
Es gibt verschiedene Prüfungsarten und demzufolge viele Möglichkeiten, mit finanziellen Nachforderungen (ehemals Regresse) konfrontiert zu werden. Die zwei wichtigsten Prüfungsarten sind die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Richtwerten (Richtwertprüfung) und die Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall (Einzelfallprüfung).
Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand der Richtwerte
Die Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen sind per Gesetz verpflichtet, ein Prüfverfahren einzuleiten (Prüfung „von Amts wegen”), wenn die Gesamtkosten der in einem Kalenderjahr von einer Richtwertgruppe innerhalb einer Praxis verordneten Arznei- und Verbandmittel (= veranlasstes Verordnungsvolumen) das praxisindividuelle Richtwertvolumen um mehr als 25 Prozent überschreiten. Mehr dazu erfahren Sie unter Arzneimittel-Richtwerte.
Wirtschaftlichkeitsprüfung im konkreten Einzelfall
Der Blick aufs Prüfgeschehen zeigt, dass Krankenkassen aus verschiedenen Gründen einzelfallbezogene Prüfanträge stellen. Hier finden Sie eine beispielhafte Übersicht der bestandskräftigen Bescheide zu Arzneimittel-Einzelfallprüfanträgen mit dem jeweiligen Beanstandungsgrund.
Weiterführende Hinweise anhand konkreter Fallbeispiele finden Sie in ausgewählten Beiträgen aus unserer Publikation Verordnungsforum, insbesondere in unserer „Prüfticker”-Serie:
- Einzelfallprüfungen: Aut idem (VoFo 63)
- Einzelfallprüfungen: Blutzuckerteststreifen (VoFo 70)
- Einzelfallprüfungen: Denosumab bei Osteoporose (VoFo 66)
- Einzelfallprüfungen: Dosisüberschreitung (VoFo 70)
- Einzelfallprüfungen: Glitazone (VoFo 53)
- Einzelfallprüfungen: Hämorrhoidenmittel-Fixkombinationen (VoFo 49)
- Einzelfallprüfungen: Impfstoffe und korrekter Bezugsweg (VoFo 62)
- Einzelfallprüfungen: Kontrazeptiva (VoFo 55)
- Einzelfallprüfungen: Melatonin (VoFo 61)
- Einzelfallprüfungen: Reboxetin (VoFo 50)
- Einzelfallprüfungen: Rezeptausstellung für Verstorbene (VoFo 60)
- Einzelfallprüfungen: Rezepturen (VoFo 67)
- Einzelfallprüfungen: Selen (VoFo 57)
- Einzelfallprüfungen: Strophanthin (VoFo 38)
- Einzelfallprüfungen: Testosteron (VoFo 59)
- Einzelfallprüfungen: Umstimmungsmittel Immunstimulantien (VoFo 51)
Prüfankündigungen der Krankenkassen
Die AOK Baden-Württemberg kündigt neue Prüfthemen, bei denen sie gezielt Einzelprüfanträge stellt, im Vorfeld auf ihrer Homepage an:
Bitte beachten Sie, dass diese Ankündigungen der Prüfthemen zu Einzelfallprüfungen von Seiten der AOK BW keinesfalls abschließend sind. Krankenkassen können Einzelfallprüfanträge zu einer Vielzahl von Themen ohne jede Vorabinformation stellen. Die Antragsstellung ist allein Sache der jeweiligen Krankenkasse. Die Entscheidung über den potenziellen Antrag liegt im Ermessen der Gemeinsamen Prüfungsstelle.
Informationen der KVBW zu angekündigten Einzelfallprüfungen:
- Einzelfallprüfungen: Biologicals vs. Biosimilar-Alternativen (KVBW-Info 10/2024)
- Einzelfallprüfungen: Abirasolon als Kombinationsarzneimittel (KVBW-Info 10/2024)
- Einzelfallprüfungen: PEG-Sonden-Verbandmaterial (PEG-Sets) (KVBW-Info 07/2023)
- Einzelfallprüfungen: GLP-1-Rezeptor-Agonisten (u. a. Ozempic, Trulicity) (KVBW-Info 06/2023)
- Einzelfallprüfungen: Thalidomid, Lenalidomid & Pomalidomid (KVBW-Info 09/2022)
- Einzelfallprüfungen: Biologicals bei Biosimilar-Verfügbarkeit (KVBW-Info 09/2021)
- Einzelfallprüfungen: Arzneimittel bei Asthma und COPD (KVBW-Info 07/2021)
- Einzelfallprüfungen: Insulin & Teststreifen (KVBW-Info 09/2020)
So vermeiden Sie Nachforderungen bei Einzelfallprüfungen
- Verordnungsausschlüsse und -einschränkungen nach Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) beachten,
- Cave: Bestimmte Ziffern aus Anlage III AM-RL werden seit dem Verordnungsquartal 4/2017 von den Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen „von Amts wegen” auf deren Einhaltung geprüft (siehe VoFo 42 Arzneimittel-Richtlinienprüfung, Prüfvereinbarung).
- keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel verordnen, wenn eine nicht-verschreibungspflichtige Alternative zur Verfügung steht (Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Absatz 11 AM-RL),
- bei Verordnungen von verschreibungsfreien Arzneimitteln für Erwachsene die Regelungen der OTC-Ausnahmeliste (Anlage I AM-RL) beachten,
- keine Lifestyle-Arzneimittel auf Muster 16 verordnen (Anlage II AM-RL),
- Therapiehinweise der Anlage IV AM-RL beachten,
- Medizinprodukte mit arzneimittelähnlichem Charakter (z. B. Läusemittel, Laxantien, Inhalationslösungen) nur nach Anlage V AM-RL verordnen,
- Ergebnisse der frühen Nutzenbewertung nach § 35a SGB V beachten (Anlage XII AM-RL, KBV: Frühe Nutzenbewertung Wirkstoffverzeichnis),
- preisgünstigere Biosimilars anstelle von Original-Biologicals verordnen,
- keine Arzneimittel im Off-Label-Use verordnen (siehe Verordnungsforum 24),
Ausnahmen für den Off-Label-Use:- Cave: Fehlt die passende ICD-10-Diagnose zu einer ausgestellten Verordnung, kann der Verdacht auf eine Off-Label-Use-Verordnung entstehen.
- Es handelt sich um einen zulässigen Off-Label-Use nach Anlage VI Teil A AM-RL.
- Es liegt eine lebensbedrohliche Erkrankung vor (§ 2 Absatz 1a SGB V).
- Es liegt eine Nachforderungs-Verzichtserklärung für den Einzelfall von der betreffenden Krankenkasse vor (Off-Label-Antrag).
- hormonale Kontrazeptiva nur bis vor dem 22. Geburtstag verordnen (siehe Verordnungsforum 43),
- keine fiktiv zugelassenen Arzneimittel auf Muster 16 verordnen,
- Voraussetzungen für die Verordnung von Rezepturen beachten (siehe VoFo 31 Rezepturarzneimittel),
- pro Arzneimittel keine unwirtschaftlichen Mengen verordnen,
- bei Impfstoffen den korrekten Bezugsweg wählen.
Nachforderungen vermeiden
Die KVBW unterstützt und berät Sie dabei, Nachforderungen zu vermeiden. In Zweifelsfällen wenden Sie sich gerne an die Mitarbeiter unserer Verordnungsberatung, bevor Sie ein Rezept ausstellen.