KVBW: Ärztlicher Bereitschaftsdienst wird zukunftsfest

Erste Änderungen im Frühjahr 2025

Empfangstresen der Bereitschaftspraxis Sigmaringen. Patientin stellt sich bei Anmeldung vor.
Empfangstresen der Bereitschaftspraxis Sigmaringen.

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) hat heute ihr neues Standortkonzept für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) in Baden-Württemberg vorgestellt. Danach wird die Versorgung künftig von insgesamt 57 allgemeinen und 32 fachärztlichen Bereitschaftspraxen gewährleistet. Die Bereitschaftspraxen sind an einem Krankenhaus mit Notaufnahme angesiedelt. Weiterhin gibt es flächendeckend einen Fahrdienst für medizinisch erforderliche Hausbesuche sowie eine telemedizinische Beratung. Die KVBW sichert damit eine erstklassige medizinische Versorgung im Bereitschaftsdienst.

„Robust, zukunftsorientiert, qualitativ hochwertig und kooperativ“ werde die KVBW den Bereitschaftsdienst künftig aufstellen, erläuterte die stv. Vorstandsvorsitzende der KVBW, Dr. Doris Reinhardt. Der Bereitschaftsdienst ist für die medizinische Versorgung außerhalb der Sprechzeiten, also insbesondere an den Wochenenden und Feiertagen, zuständig. Dabei geht es jedoch nicht um Notfälle. „Medizinische Notfälle sind Aufgabe des Rettungsdienstes und der Notaufnahmen. Der Ärztliche Bereitschaftsdienst leistet eine Überbrückungsbehandlung für akute Beschwerden, die medizinisch nicht warten können, bis die Haus- und Facharztpraxen am nächsten Tag wieder geöffnet sind.“ Heute nehme jede Person rein statistisch etwa alle fünf bis sechs Jahre einmal den Bereitschaftsdienst in Anspruch. 

Erreichbarkeit maßgebliches Kriterium

Reinhardt betonte, dass für die Auswahl der Standorte der Bereitschaftspraxen die Erreichbarkeit maßgebliches Kriterium war – denn nur so könne ein qualitativ hochwertiger und patientennaher Dienst gewährleistet werden. „Die Erreichbarkeit haben wir gleich doppelt berücksichtigt. So wird es weiter in jedem Stadt- und Landkreis mindestens eine Praxis geben. Gleichzeitig haben wir festgelegt, dass 95 Prozent der Bevölkerung eine Praxis in 30 Fahrminuten mit dem PKW erreichen soll, 100 Prozent in spätestens 45 Minuten. Nach unseren Berechnungen wird jedoch die Bevölkerung in spätestens 40 Minuten einen Praxisstandort erreichen können.“ Reinhardt weiter: „Damit unterhalten wir auch künftig ein enges Netz an Bereitschaftspraxen und gewährleisten die Versorgung flächendeckend.“ 

Weiter sehen die Kriterien der KVBW vor, dass es einen Praxisstandort nur noch in Verbindung mit einem Krankenhaus mit Notaufnahme geben wird. „Wir haben nur noch eine Handvoll Praxen, die nicht an einem Krankenhaus angesiedelt sind. Die Erfahrung zeigt, dass diese Standorte nicht zukunftsfähig sind. Dafür sind die Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung viel zu hoch. Das betrifft etwa die Möglichkeit, intersektoral eine Röntgenaufnahme anzufertigen oder auch Laborwerte erheben zu können. Die Patientinnen und Patienten können häufig nicht selbst einschätzen, ob sie die Einrichtung eines Krankenhauses benötigen. Wir wollen sie aber nicht wieder aus einer Praxis in die nächste Klinik wegschicken.“ 

Reinhardt betonte, dass auch Standorte ausgebaut werden. „Wir werden bestehende Standorte vergrößern, etwa, indem mehrere Ärztinnen und Ärzte gleichzeitig im Dienst sind. Das kann auch zu bestimmten Zeiten oder an Tagen mit besonders hoher Inanspruchnahme der Fall sein. Damit schaffen wir zusätzliche Kapazitäten, die wir auch benötigen, um das Patientenaufkommen zu bewältigen.“ Außerdem könne dadurch die Qualität verbessert werden. „Wir haben viele Ärztinnen und Ärzte, die aufgrund ihrer Fachrichtung wenig mit den Krankheitsbildern zu tun haben, die im Bereitschaftsdienst häufig vorkommen, sie sind aber trotzdem zum Dienst verpflichtet. Wenn zusätzlich ein erfahrener Kollege oder eine erfahrene Kollegin vor Ort ist, erleichtert dies den Dienst und verbessert die Versorgung.“

Wieso ist eine Reform nötig?

Der Vorstandsvorsitzende der KVBW, Dr. Karsten Braun, erläuterte die Gründe, warum die KVBW den Bereitschaftsdienst neu strukturiert. „Wir stehen vor gravierenden Herausforderungen in der ambulanten Versorgung. Insgesamt sind aktuell 1.125 Arztsitze, davon alleine 963 Hausarztsitze im Land nicht besetzt. Uns steht eine Ruhestands­welle bevor, wenn die Babyboomer aus der Versorgung ausscheiden. Mehr als 3.750 Mitglieder in den Praxen sind über 65 Jahre alt und können jederzeit völlig verdient in den Ruhestand gehen – doch das bei Weitem nicht immer mit einer gesicherten Nachfolge. Der Praxisalltag wird zunehmend durch Ärztinnen und Ärzte in Teilzeit und als Angestellte bestimmt. All das belastet die verbliebenen Ärztinnen und Ärzte im Bereitschafts­dienst erheblich, da Angestellte keiner Dienstverpflichtung unterliegen.“ 

Braun warnte: „Wir müssen die Regelversorgung stabilisieren. Wenn wir heute nicht tätig werden, werden unsere Probleme noch größer. Das betrifft dann vor allem den ländlichen Raum, wo die Dienstverpflichtung weiter steigen würde.“ 

KVBW-Vorständin Reinhardt betonte, dass die Struktur nicht zu Lasten anderer Einrichtungen des Gesundheitswesens gehen werde. „Wir sind im Gesundheitswesen kooperativ unterwegs. Das betrifft auch den Bereitschaftsdienst. Gerade hier arbeiten wir eng und vertrauensvoll mit dem Rettungsdienst und den Notaufnahmen zusammen. Daher ist es unser Ziel, gerade diese beiden Strukturen nicht zusätzlich zu belasten.“ 

Telemedizin und Patienten-Navi sollen Unterstützung bieten

Ein wichtiger Baustein in der Versorgungsstruktur ist daher die Telemedizin. Im letzten Jahr wurde bereits erfolgreich die telemedizinische Beratung erweitert. Reinhardt: „Wir wissen aus unseren Erhebungen, dass viele Fälle im Bereitschaftsdienst telemedizinisch abgeschlossen werden können. Telemedizin wird daher ein fester Bestandteil des Bereitschaftsdienstes werden. Wir haben als erste KV mit unserer Online-Sprechstunde docdirekt schon vor Jahren ein telemedizinisches Angebot zu den Sprechstundenzeiten etabliert. Darauf können wir heute aufbauen.“ 

Eine wichtige Rolle wird die 116117 spielen. „Die 116117 wird künftig die zentrale Steuerungsstelle sein, die die Patientinnen und Patienten in die richtige Versorgungsebene leitet. Das entlastet die Patienten, das entlastet gleichermaßen die Notaufnahmen und die Bereitschaftspraxen oder den Fahrdienst.“ Schon heute führen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der 116117 ein zertifiziertes medizinisches Ersteinschätzungsverfahren durch. „Es ist auf alle Fälle sinnvoll, die Ersteinschätzung zu nutzen, bevor eine Bereitschaftspraxis aufgesucht wird. Diese kann telefonisch erfolgen oder auch online über das Patienten-Navi unter www.116117.de erfolgen.“

Als weiteres Angebot im Bereitschaftsdienst bleibt der Fahrdienst flächendeckend aufrechterhalten. Im Rahmen des Fahrdienstes erfolgen Hausbesuche, wenn Patientinnen und Patienten aus medizinischen Gründen eine Bereitschaftspraxis nicht aufsuchen können. Ebenso gibt es aktuell keine Änderung in den fachärztlichen Diensten, also im kinder-, augen- und HNO-ärztlichen Dienst. 

Änderungen ab Frühjahr 2025

Die neue Struktur wird schrittweise ab April 2025 umgesetzt. „Aktuell ändert sich erst einmal nichts. Wir haben lange Vorlaufzeiten, weil alle Beteiligten Planungssicherheit benötigen. So sind beispielsweise die Dienstpläne bereits bis März 2025 geschrieben. Wir werden die neue Struktur dann schrittweise umsetzen und gehen davon aus, dass sie bis Ende 2025, Anfang 2026 abgeschlossen sein wird.“ 

Die aktuellen Adressen der bestehenden Bereitschaftspraxen, ihre Öffnungszeiten sowie weitere Infos zu diesem Angebot finden Sie hier:

Karte mit den zukünftigen Standorten

Künftige Standorte des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD)

Regierungsbezirk Stuttgart
Aalen Bad Friedrichshall Bad Mergentheim
Bietigheim-Bissingen Crailsheim Esslingen
Filderstadt Göppingen Heidenheim
Heilbronn Leonberg Ludwigsburg
Nürtingen Öhringen Schwäbisch Gmünd
Schwäbisch Hall Sindelfingen Stuttgart
Wertheim Winnenden  
Regierungsbezirk Tübingen
Balingen Biberach Ehingen
Friedrichshafen Ravensburg Reutlingen
Sigmaringen Tübingen Überlingen
Ulm Wangen  
Regierungsbezirk Karlsruhe
Baden-Baden Bretten Bruchsal
Calw Freudenstadt Heidelberg
Karlsruhe Mannheim Mosbach
Mühlacker Pforzheim Rastatt
Sinsheim Weinheim  
Regierungsbezirk Freiburg
Emmendingen Freiburg Konstanz
Lahr Lörrach Offenburg
Rottweil Singen Titisee-Neustadt
Tuttlingen Villingen-Schwenningen Waldshut
Standorte, die im Verlauf 2025/2026 geschlossen werden
Achern Albstadt Backnang
Bad Saulgau Brackenheim Eberbach
Ellwangen Ettlingen Herrenberg
Kirchheim/Teck Müllheim Münsingen
Nagold Neuenbürg Oberndorf
Schwetzingen Tettnang Wolfach