Knapp vorbei ist auch daneben
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), Dr. Norbert Metke, sieht die Patientensicherheit im Rahmen der Versorgung mit Heilmitteln (Physiotherapie, Ergo- und Logotherapie) durch das vom Bundeskabinett verabschiedete Heil- und Hilfsmittelgesetz nachhaltig gefährdet.
Der Gesetzentwurf sieht in der Heilmittelversorgung Modellversuche vor, bei denen nach Diagnosestellung und Indikation einer Heilmitteltherapie der Physiotherapeut die Anwendung sowie die Dauer selbst bestimmt (sogenannte Blankorezeptur). Metke erklärte hierzu heute in Stuttgart: „Wir begrüßen es ausdrücklich, dass den Physiotherapeuten mehr Freiheit bei der Wahl der konkreten Behandlung gegeben werden soll. Das ist eine Forderung der Ärzteseite seit langem, ergibt sich doch häufig die richtige Wahl der konkreten Behandlung erst aus dem Verlauf einer Erkrankung heraus. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Regelung, dass alleine der Physiotherapeut nach initialer ärztlicher Diagnose die Dauer einer Therapie bestimmt, ist aus unserer Sicht unverantwortlich, weil sie der Patientensicherheit entgegensteht. Der Arzt muss aufgrund seiner zwölfjährigen Aus- und Weiterbildung die Gesamtverantwortung für Diagnose und Therapie tragen.“ Metke weiter: „Wir dürfen nicht vergessen, dass Physiotherapeuten und andere Anbieter von Heilmitteln lediglich eine dreijährige Berufsausbildung absolviert haben. Die Patienten sollen sich auf die deutlich umfangreichere und weitgehendere Expertise des Arztes verlassen.“
Therapiedauer gehört in Verantwortung des Arztes
Metke sieht daher Nachbesserungsbedarf an den Regelungen. „Zur Verantwortung des Arztes gehört unabdingbar, dass er die Dauer der Therapie festlegt und damit den Verlauf kontrolliert. Es muss in der Verantwortung des Arztes bleiben überprüfen zu können, ob Diagnose und Therapie während der Behandlung zusammenpassen und damit auch eine Therapie gegebenenfalls zu beenden. Schließlich ist die Behandlung durch den Physiotherapeuten bei vielen Diagnosen nur eine von vielen therapeutischen Möglichkeiten, etwa einer Gesprächstherapie, medikamentöser oder operativen Maßnahmen. Gerade das kann aber nur der Arzt entscheiden, denn er kennt die gesamte Krankheitsgeschichte des Patienten. So muss zusätzlich auch zwingend der Ausschluss bestimmter Therapien durch den Arzt möglich sein.“
Für Metke steht fest: „Es spricht dem ärztlichen Sachverstand Hohn, wenn in Teilbereichen der Medizin nur die eingeschränkte Sichtweise einzelner Beteiligter zum Maßstab wird. Wie sollen die Ärzte Therapien verordnen und dann auch dafür gerade stehen, wenn ihnen der Einfluss auf wesentliche Parameter genommen wird?“
Bei aller Kritik sieht Metke aber positive Aspekte des Gesetzes „Wir begrüßen zwar die beabsichtigten Änderungen im Hilfsmittelbereich und gehen davon aus, dass bei der Hilfsmittelversorgung neben der selbstverständlichen Kostenhygiene wieder mehr Qualität Einzug hält. Ebenso ist jede Evidenz basierte Verbesserung in der Versorgung chronischer Wunden nur zu befürworten und richtig.“ Metke forderte die Bundesregierung auf, das Gesetz in den kommenden Anhörungsverfahren entsprechend nachzubessern und dabei insbesondere ärztlichen Sachverstand miteinzubeziehen.