KVBW stellt Ansatz für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen vor

Die dramatische Entwicklung der Flüchtlingszahlen stellt eine gewaltige Herausforderung für alle Beteiligten dar. Nach Ansicht von Dr. Johannes Fechner, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), ist diese Aufgabe aber zu bewältigen, wenn gewohnte Pfade verlassen und pragmatische Vorgehensweisen umgesetzt werden. Zur ärztlichen Versorgung der Flüchtlinge hat der Vorstand der KVBW daher folgende Vorschläge erarbeitet:

  1. In jeder Gemeinschaftsunterkunft (Sammelunterkunft) ab circa 50 Personen wird eine Sanitätsstelle eingerichtet (Mindestvoraussetzung: abschließbarer Raum mit Untersuchungsliege, Telefonanschluss, PC-Ausstattung analog der Notfallpraxen). Diese Sanitätsstelle wird je nach Größe bedarfsweise sowohl von Vertragsärzten als auch Nichtvertragsärzten stundenweise besetzt. In jeder Stadt haben sich bisher genügend freiwillige Ärzte verschiedener Fachrichtungen für diesen Dienst bereit erklärt, zudem könnten Pensionäre und Klinikärzte analog der Poolärzte im Notfalldienst zum Einsatz kommen.
  2. Viele Sammelunterkünfte liegen außerhalb von Wohngebieten, das Transport­problem von den Sammelunterkünften zu den Arztpraxen entfiele damit.
    Auch das Dolmetscherproblem entfällt bei der aufsuchenden Tätigkeit in einer Sanitätsstelle, da in jeder Sammelunterkunft immer genügend Menschen mit zumindest englischen, oft auch deutschen Sprachkenntnissen verfügbar sind.
  3. Die Versorgung mit Arzneimitteln könnte so erfolgen, dass die Verordnung per Privatrezept auf den Namen eines Asylbewerbers erfolgt. Die umliegenden Apotheken erhalten die Rezepte im wöchentlichen Turnus, beliefern die Sammel­unterkünfte täglich, das zuständige Sozialamt müsste vorab den Apotheken die Bezahlung der abgegebenen Arzneimittel gutsagen.
  4. Bis zur eventuellen Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für Asyl­bewerber wird es noch Monate dauern. Als Übergang (ggf. solange Menschen in Sammelunterkünfte untergebracht werden müssen) wäre eine Stundenvergütung für die Ärzte zu vereinbaren, damit würde der bürokratische Aufwand bei den Asylstellen für den Arzt und die Abrechnung in den Sozialämtern deutlich reduziert.

Fechner merkt an, dass sich unter den Asylbewerbern zahlreiche ärztliche Kollegen und Angehörige weiterer Gesundheitsberufe befinden. „Wir wollen diese rasch identifizieren und sie bitten, uns als besonders qualifizierte Dolmetscher bei der Versorgung zu unterstützen. Gleichzeitig leisten wir einen Beitrag zur Willkommenskultur.“ Fechner weiter: „Die Approbationsbehörde Baden-Württemberg hat in Einzelfällen die Tätigkeits­erlaubnis nach § 10a Bundesärzteordnung auch ohne Nachweis deutscher Sprach­kenntnisse genehmigt (sofern die übrigen Erfordernisse vorliegen). Die Kolleginnen und Kollegen könnten dann rascher zu Praktika und Hospitationen eingeladen werden – dies wäre auch die bestmögliche Voraussetzung, die Sprachbarriere zu überwinden, das deutsche Gesundheitswesen kennenzulernen und schließlich die Approbation als Arzt auch in der Bundesrepublik zu erlangen.“

Der Vorstandsvorsitzende der KVBW betont die Hilfsbereitschaft der Ärzteschaft bei dieser Aufgabe: „Wir sind in engem Kontakt mit unseren Mitgliedern vor Ort und freuen uns über das Engagement, das die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten zeigen. Danke an alle Beteiligten dafür.“