Metke kommentiert die Honorareinigung
In einem Brief an die Delegierten der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg kommentiert Dr. Metke das Ergebnis der Honorarverhandlungen. KBV und der GKV-Spitzenverband haben sich am vergangenen Mittwoch auf die Eckpunkte zur Honorarentwicklung für 2015 geeinigt.
Sehr verehrte Frau Kollegin,
Sehr geehrter Herr Kollege,
wie Ihnen sicherlich mittlerweile bekannt ist, haben sich KBV und GKV-Spitzenverband im Bewertungsausschuss am Mittwoch dieser Woche auf Eckpunkte zur Honorarentwicklung für 2015 geeinigt.
Im Einzelnen sieht das Ergebnis Folgendes vor:
- Der Orientierungswert und damit der Wert aller Leistungen wird für 2015 um 1,4 % (in 2014 um 1,3 %) erhöht und liegt damit bei 10,2718 Cent.
- Zusätzlich wird ein mögliches Vergütungsvolumen von + 0,8 % (extrabudgetär!) der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) für strukturelle Maßnahmen (in 2014 + 0,6 %) zur Verfügung gestellt, d. h. der Gesamtabschluss auf Bundesebene liegt bei + 2,2 %.
Das zusätzliche Vergütungsvolumen von + 0,8 % der MGV (das sind in Baden-Württemberg ca. 20 Mio. €) soll zu gleichen Teilen hausärztlich und fachärztlich verwendet werden:
Hausärzte:
Förderung einer VERAH (jetzt auch im Kollektivsystem) und ggf. ein Zuschlag auf die GOP 03040/04040.
Fachärzte:Erneute Erhöhung der PFG (jetzt auch für die fachärztlichen Internisten) - für Baden-Württemberg bedeutet dies, dass zur Vergütung der PFG als solche im Jahr 2015 ca. 25 % mehr Mittel zur Verfügung stehen werden, als dies in 2014 der Fall ist. - In einer Protokollnotiz soll geregelt werden, dass bei der anstehenden EBM-Reform für 2016 der kalkulatorische Arztlohn von derzeit völlig inakzeptablen 105.000 € ergebnisoffen überprüft wird. Dabei wird primär von Ärzteseite her eine Angleichung an die derzeitexistenten Oberarztgehälter angestrebt, die im Schnitt eben nicht 105.000 €, sondern 133.000 € pro Jahr betragen.
Dieses Ergebnis ist weit von den Forderungen der Ärzteseite entfernt. Besteht doch bei einem zugrunde gelegten Oberarztgehalt von derzeit nur 105.000 € für 51 Wochenstunden in der Tat auf die derzeit existenten Klinikgehälter von 133.000 € für ca. 40 Wochenstunden ein Nachholbedarf von über 15 % oder eben die angeführten 5 Mrd. €. Dieser hochproblematische Abschluss ist auf eine Verweigerungshaltung des GKV-Spitzenverbandes sowie auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die das erlauben, zurückzuführen. Der GKV-Spitzenverband ging in die Verhandlungen mit der Forderung einer erheblichen Absenkung des Orientierungswerts aufgrund angeblicher Wirtschaftlichkeitsreserven. Der Abschluss löst keines der aktuellen Versorgungs- und Sicherstellungsprobleme bei Haus- und insbesondere konservativen Fachärzten und ist mit Sicherheit kein Instrument, die Niederlassung attraktiver zu gestalten und flächendeckende Versorgung auf dem derzeitigen Niveau zu gewährleisten. Im Gegenteil, wir werden den Gesetzgeber auffordern müssen, dem Wegbrechen der Versorgung Einhalt zu gebieten. Dies, indem noch mehr an Entscheidungskompetenz regionalisiert wird und realitätsferne Entscheidungen auf Bundesebene ein Ende finden.
Ich erlaube mir dennoch in Erinnerung zu bringen, dass die oben genannten Bundesergebnisse wie in jedem Jahr nur einen Teil der Ergebnisse auf Länderebene ausmachen und sich in der Regel weitere regionale Vereinbarungen an die Bundesempfehlungen anschließen, wie dies auch im vergangenen Jahr der Fall war.
Die positive Honorarentwicklung in Baden-Württemberg hatte ich Ihnen im Mai in der VV dargelegt. Bei den Fachärzten ist es durch die asymmetrische Honorarverteilung gelungen, schwergewichtig in den Fachgebieten, die in den vergangenen Jahren die Verlierergruppen waren, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. In der Mischung Selektiv-/Kollektivvertrag ist die hausärztliche Vergütung im Lande besser geworden. In drei der letzten vier Quartale konnten im KV System 100 % aller abgerechneten Leistungen ausbezahlt werden.
Diese für Baden-Württemberg spezifische Honorarsituation ist nicht auf dem Boden von Bundesergebnissen, sondern stets auf denen von Landesspezifitäten entstanden. Der Vorstand hofft, auch für 2015 mit den Krankenkassen im Lande so zu verhandeln, dass die besonderen Kosten- und Versorgungsstrukturen im Land, im letztendlich dann für Baden-Württemberg gültigen Abschluss, angemessen Berücksichtigung finden werden.
Die initiale Forderung der KBV eines Nachholbedarfs von 5 Mrd. € (ca. 15 % der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung) war von vornherein eine unrealistische. Dies gilt ebenso für die Forderung nach einer weiteren, sehr umfangreichen Ausbudgetierung von Honorar, weil
- der Gesetzgeber eindeutig unverrückbar als Regelvergütung eine budgetierte Gesamtvergütung vorschreibt. Von dieser kann es lokale Ausnahmesituationen, wie besonders förderungswürdigen Leistungen und/oder besondere Kosten- und Versorgungsstrukturen geben (wie z. B. bei uns in Baden-Württemberg).
- die vom Gesetzgeber ab dem 01.01.2015 vorgesehene Senkung des allgemeinen Krankenkassenbeitrages von 15,5 % auf 14,6 % alle Kassen dazu zwingt, Zusatzbeiträge zu erheben. Auf Bundesebene steht im Fokus, die Zusatzbeiträge so niedrig wie möglich zu halten, auch wenn dies zu Lasten der ambulanten Patientenversorgung geht.
- seitens des im Schiedsfall letztendlich zuständigen Erweiterten Bewertungsausschusses von vornherein signalisiert wurde, dass insbesondere das BSG-Urteil vom August 2014 (welches eine rückwirkende Anhebung von Sockeln, z. B. unmittelbare Anhebung des kalkulatorischen Arztlohns von 105.000 € auf 133.000 €, untersagt) umgesetzt wird.
Damit konnte auf dem Boden der nachgewiesenen Kostenentwicklung in den Praxen, auch unter Berücksichtigung einer sehr niedrigen Inflationsrate, eben nur dieses Ergebnis erreicht werden. Ein Schiedsverfahren hätte die hohe Wahrscheinlichkeit eines schlechteren Ergebnisses in sich getragen, so zumindest die rein persönliche Einschätzung meiner Person.
In Baden-Württemberg sind bereits über 30 % aller Leistungen ausbudgetiert. Im Jahr 2014 sind wichtige weitere Ausbudgetierungen erreicht worden (z. B. § 115b SGB V-Leistungen einschließlich aller Begleitleistungen). Die neu beschlossene Vergütung der VERAH und die Erhöhung der PFG (nur der Erhöhungsanteil von 25 %) wird eine weitere extrabudgetäre Vergütung darstellen.
Das Verhandlungsergebnis befriedigt nicht den berechtigten Nachholbedarf bei einer völlig inakzeptablen Kalkulationsbasis von 105.000 € für 51 Wochenstunden. Es löst auch keinesfalls den Investitionsstau in den Praxen, wird aber, wenn auch nur bescheiden, die Probleme der konservativ-fachärztlichen Versorgung durch Erhöhung der PFG verbessern und es den Hausärzten durch die VERAH-Entlastung erlauben, sich vermehrt auf die rein ärztlichen Aufgaben zu konzentrieren. Letzteres stellt eine fundamentale Überlebensstrategie für die Hausärzte dar, denn die Erfüllung des hausärztlichen Versorgungsauftrages unter Delegation bei sich verringernder Arztanzahl ist so besser zu gewährleisten. Damit wird auch eine Substitution des Hausarztes durch medizinische Assistenzberufe verhindert. Wir wollen keinen "Arzt light" - das ist das Thema.
Das, was GKV-Spitzenverband, Bewertungsausschuss und andere heute für ausreichend halten, um weiterhin eine flächendeckende vertragsärztliche Versorgung in Baden-Württemberg zu gewährleisten, muss mit Sicherheit kontinuierlich hinterfragt werden. Es ist insbesondere auch davon abhängig, wie weit es gelingen wird, in Kooperation mit den Krankenkassen, unter Berücksichtigung der besonderen Kosten- und Versorgungsstrukturen in Baden-Württemberg, weitere freiwillige Leistungen für bessere Strukturen zukünftig erneut bereit zu stellen, wie dies in den vergangenen Jahren in erheblichem Umfang durch die Krankenkassen in Baden-Württemberg entgegenkommenderweise erfolgte.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Norbert Metke
Vorsitzender des Vorstandes