Wir stellen Versorgung sicher
Die Meldungen in den Zeitungen häufen sich: Wieder hat irgendwo in Baden-Württemberg eine Arztpraxis endgültig geschlossen, weil der Inhaber keinen Nachfolger gefunden hat. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) steuert mit einem neuen Förderprogramm dagegen. Unter „Ziel und Zukunft Baden-Württemberg“ erhalten Ärzte in Fördergebieten ab sofort, neben anderen Förderungsmaßnahmen, eine erhebliche finanzielle Unterstützung, wenn sie sich neu niederlassen, eine Praxis übernehmen, einen Arzt anstellen oder auch eine Zweigpraxis gründen.
„Fördergebiete der hausärztlichen Versorgung sind derzeit Mittelbereiche, in denen weniger als 85 Prozent der eigentlich erforderlichen Hausärzte vorhanden sind“, erläuterte der stellvertretende Vorsitzende der KVBW, Dr. Johannes Fechner, das Förderprogramm. „Dies sind aktuell die Mittelbereiche um die Städte Bietigheim-Bissingen/Besigheim, Horb am Neckar, Vaihingen/Enz, Öhringen und Eberbach im Rhein-Neckar-Kreis. In diesen Gebieten wird die Niederlassung von Hausärzten gefördert, unabhängig davon, in welchem Ort. Zusätzlich sind Mittelbereiche ausgewiesen, in denen eine Förderung nur gemeindebezogen möglich ist. Hier muss die Versorgungssituation einer Gemeinde im Einzelfall geprüft werden. Eine Definition fachärztlicher Förderregionen folgt zeitnah.“
Bis zu 60.000 Euro Investitionskostenzuschuss
Die Förderbeträge sind nach Einschätzung Fechners für einen jungen Arzt oder einen anstellenden Arzt hochattraktiv: „Wer in einem der Gebiete eine Praxis neu gründet oder übernimmt, erhält bis zu 60.000 Euro und einen Zuschlag von zehn Euro pro Behandlungsfall für fünf Jahre. Wer eine Nebenbetriebsstätte gründet, kann bis zu 40.000 Euro an Förderung erhalten und bekommt ebenso für fünf Jahre zehn Euro Zuschlag pro Behandlungsfall. Gefördert wird darüber hinaus auch die Anstellung eines Arztes.
Der anstellende Arzt erhält hierbei einen Zuschuss von 1.000 Euro pro Monat, der angestellte 750 Euro. Die Förderung setzt mindestens eine Halbtagstätigkeit voraus. Für den anstellenden Arzt gibt es ebenfalls den Zuschlag für die Behandlung.“ Finanziert wird das Förderprogramm aus Mitteln des Strukturfonds, der zu gleichen Teilen von den Krankenkassen und der KVBW getragen wird. Die Förderbedingungen für die fachärztliche Versorgung werden gerade erarbeitet.
Baden-Württemberg ist hochattraktiv für junge Ärzte
Fechner erläuterte, dass ZuZ sich in eine Reihe von Maßnahmen einfügt, mit der die KVBW unter schwierigen Rahmenbedingungen die Versorgung weiter sicherstellt. „Mit der Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes haben wir eine große Hürde für die Niederlassung beseitigt. Die KVBW hat in den vergangenen Jahren die Honorare der Ärzte und Psychotherapeuten stabilisiert. Für die Hausärzte ist etwa die Budgetierung bereits seit einiger Zeit aufgehoben, so dass alle Behandlungen auch vergütet werden. Wir sind im Bundesvergleich eine regressfreie Zone. Wir haben nur noch sehr wenige Fälle, in denen Ärzte wegen zu hoher Verordnungen von Arznei- oder Heilmitteln Regress leisten müssen. Mit den Krankenhäusern arbeiten wir gut zusammen auch bei der Weiterbildung der jungen Mediziner. Und dann kommen natürlich die hervorragende Wirtschaftsstruktur des Landes, die niedrige Arbeitslosenquote, die exzellente Hochschullandschaft und so weiter hinzu. Insgesamt ist Baden-Württemberg hochattraktiv für einen jungen Arzt oder eine junge Ärztin, die sich niederlassen möchten. Deshalb Baden-Württemberg!“
Laut Fechner seien die Maßnahmen erforderlich, da sich die Struktur der Versorgung erheblich ändere: „Die Abgabe der Arztpraxis, früher noch praktisch ein Selbstläufer, ist zu einem Spiel mit ungewissem Ausgang geworden. Das betrifft keineswegs nur den ländlichen Raum, sondern auch die Ballungsgebiete. Die jungen Medizinerinnen und Mediziner wollen heute in erster Linie in ein Angestelltenverhältnis gehen, also keine freiberufliche Tätigkeit mehr wahrnehmen. Gab es vor 20 Jahren nur vereinzelt angestellte Ärzte und Psychotherapeuten in den Praxen, waren 2014 bereits mehr als die Hälfte der neuen Mitglieder in einem Angestelltenverhältnis tätig. Und wenn sie doch freiberuflich arbeiten, dann nicht mehr in einer Einzelpraxis. Einzelarztpraxen prägen jedoch immer noch die Versorgungslandschaft in Baden-Württemberg.“
Fechner weiter: „Die Ursachen für diese Entwicklungen sind vielfältig. Der bürokratische Aufwand für die Führung einer Praxis ist wesentlich gestiegen, die Ärzte müssen immer mehr Zeit für das aufwenden, was eigentlich nicht ihre Aufgabe ist. Da ist es bequem, sich nur um die Versorgung der Patienten zu kümmern und alles andere dem Arbeitgeber zu überlassen. Gleichzeitig spielt es eine große Rolle, dass mehr Ärztinnen und Psychotherapeutinnen in die Versorgung kommen. Die wollen sich nicht an einen Ort binden, sondern flexibel in Bezug auf den künftigen Standort sein. Außerdem ist hier der Wunsch nach einer Teilzeittätigkeit stark ausgeprägt. Um auch dies zu verdeutlichen: Im ersten Halbjahr 2015 hat die KVBW bei den Hausärzten 34 Mitglieder mehr hinzugewonnen als ausgeschieden sind. Da aber viele davon in Teilzeit arbeiten, können dennoch nur deutlich weniger Patienten behandelt werden. Und zweifellos haben die vielen gesetzlichen Maßnahmen den Beruf des niedergelassenen Arztes und Psychotherapeuten eher unattraktiver gemacht.“
Laut Fechner stößt das Programm auf großes Interesse. „Wir werden noch im Januar über die ersten Förderanträge beschließen. Wir hoffen, dass sich das weiter rumspricht. Deshalb planen wir derzeit eine Kampagne, um die Niederlassungsmöglichkeiten auch außerhalb von Baden-Württemberg bei interessierten jungen Ärztinnen und Ärzten bekannt zu machen. Auf der Homepage haben wir unter ZuZ: Ziel und Zukunft einen eigenen Bereich eingerichtet, in dem alle Fördermaßnahmen zusammengefasst sind. Damit machen wir es potenziellen Mitgliedern einfach, sich einen schnellen Überblick zu verschaffen.“