Praxisbesonderheiten

Wirkstoffe mit Sonderrolle in der Wirtschaftlichkeitsprüfung

Praxisbesonderheiten können helfen, eine Nachforderung (landläufig „Regress”) zu vermeiden. Das Sozialgesetzbuch enthält keine Definition des Begriffes Praxisbesonderheiten.

Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung handelt es sich um:

  • in der Struktur der Arztpraxis liegende objektive Gegebenheiten,
  • die für die Fachgruppe von Art oder Umfang her atypisch und
  • ursächlich für höhere Verordnungskosten sind.

Lassen sich Arzneimittel-Praxisbesonderheiten berücksichtigen, reduziert das Ihr Verordnungsvolumen und senkt die Überschreitung des Richtwertvolumens (siehe Richtwerte). Für die Arzneiverordnungen gibt es verschiedene Arten von Praxisbesonderheiten:

Nachweis individueller Praxisbesonderheiten im Richtwertprüfverfahren

Jeder nachforderungsgefährdete Arzt hat die Möglichkeit, Praxisbesonderheiten im Rahmen eines laufenden Richtwertprüfverfahrens geltend zu machen, für die er dann allerdings die Beweislast trägt. Es ist deshalb immer zu empfehlen, alle aus Ihrer Sicht vorliegenden Besonderheiten in der Struktur der Praxis gesondert zu dokumentieren, um die Argumentation in einem möglichen Prüfverfahren zu erleichtern. Die Dokumentation sollte stets patientenbezogen erfolgen.

Angaben zur Dokumentation von Praxisbesonderheiten

  • Versichertennummer
  • Patientenname
  • Geburtsdatum
  • Diagnose (ICD-Schlüssel)
  • verordnete Arzneimittel gegebenenfalls mit Mengenangabe

Bundesweite Praxisbesonderheiten nach § 130b Abs. 2 SGB V

Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Verfahren der frühen Nutzenbewertung einen Zusatznutzen für ein neues Arzneimittel fest, verhandeln der GKV-Spitzenverband und der pharmazeutische Unternehmer anschließend über den Preis. Neben der Höhe des Erstattungsbetrages können beide Seiten vereinbaren, dass Arzneimittelverordnungen bei Indikationen, für die der G-BA dem Wirkstoff einen Zusatznutzen zugesprochen hat, bei Wirtschaftlichkeits­prüfungen als Praxis­besonderheiten gelten sollen.

In der unten aufgeführten Tabelle finden Sie die für das Richtwertvolumen relevanten Arzneimittel, für die eine bundesweite Praxisbesonderheit vereinbart wurde. Den verlinkten PDF-Dokumenten (Vereinbarungen) können Sie die jeweiligen Voraussetzungen entnehmen, die erfüllt sein müssen, damit die Verordnungen als bundesweite Praxisbesonderheit anerkannt und vom Verordnungsvolumen abgezogen werden können. Zur Anerkennung ist eine ausführliche Dokumentation notwendig, die von den Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen in einem Prüfverfahren angefordert werden kann.


Tabelle: Als bundesweite Praxisbesonderheiten anerkannte Arzneimittel mit Zuordnung zum jeweiligen Arzneimittel-Therapiebereich (AT). Bei Richtwertgruppen, denen der jeweilige AT nicht zur Verfügung steht, geht die Verordnung in den AT Rest ein.
Arznei­mittel (Wirkstoff) GKV-Spitzen­verband
Verein­­barung
Arznei­mittel-
Therapie­­bereich (AT)
Bimzelx® (Bimekizumab)  Vereinbarung vom 15.09.2022 AT 28
Brilique® (Ticagrelor) Vereinbarung vom 01.01.2012 AT 12
Camzyos® (Mavacamten) Vereinbarung vom 01.09.2024 ab 2025: exRW
bis 2024: AT 9
Cibinqo® (Abrocitinib) Vereinbarung vom 15.07.2022  AT 28
Cosentyx® (Secukinumab) Vereinbarung vom 01.06.2016,
aktualisiert am 27.08.2021
AT 28
Dupixent® (Dupilumab) Vereinbarung vom 01.12.2018,
aktualisiert am 05.03.2021
AT 28
Entresto® (Sacubitril/Valsartan) Vereinbarung vom 17.03.2017 AT 9
Filsuvez® (Birkenrindenextrakt) Vereinbarung vom 01.03.2023 AT 4
Forxiga® (Dapagliflozin) Vereinbarung vom 13.01.2023 seit 2023: AT 72
bis 2022: AT 29/30/31
Hemangiol® (Propranolol) Vereinbarung vom 15.07.2015 AT 9
Hetlioz® (Tasimelteon) Vereinbarung vom 01.08.2017 AT Rest
Jardiance® (Empagliflozin) Vereinbarung vom 01.01.2017,
aktualisiert am 01.01.2023
und am 01.07.2023
seit 2023: AT 72
bis 2022: AT 29/30/31
Kyntheum® (Brodalumab) Vereinbarung vom 01.09.2018 AT 28
Nucala® (Mepolizumab) Vereinbarung vom 12.11.2022 AT 28
Rinvoq® (Upadacitinib) Vereinbarung vom 30.05.2022 AT 28
Rybrila®, Sialanar® (Glycopyrroniumbromid) Vereinbarung vom 01.05.2019
Vereinbarung vom 21.06.2022
AT Rest
Skyrizi® (Risankizumab) Vereinbarung vom 01.06.2020 AT 28
Taltz® (Ixekizumab) Vereinbarung vom 01.04.2018 AT 28
Tremfya® (Guselkumab) Vereinbarung vom 01.11.2018 AT 28
Wakix® (Pitolisant) Vereinbarung vom 01.10.2017 AT Rest

Bitte beachten Sie, dass der Status der bundesweiten Praxisbesonderheit erlischt, sobald das jeweilige Medikament als generisches Nachahmerpräparat auf den Markt kommt. Sowohl für Generika als auch für das Originalpräparat besteht in diesem Fall keine bundesweite Praxisbesonderheit mehr.